RETA Germany – Veröffentlichung des „Marburger Aktionsplans für zukunftsfeste Ernährungssysteme“ | BNE Netzwerk Marburg

Ernährung lokal gestalten

Marburger Aktionsplan für zukunftsfeste Ernährungssysteme in Europa veröffentlicht

Marburg, 20.2.2024. Am heutigen Dienstag präsentierten Aktive des kollektiv von MORGEN e.V. und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Hessen (AbL Hessen) in Zusammenarbeit mit der Agricultural Rural Convention (ARC2020) und weiteren Initiativen den „Marburger Aktionsplan für zukunftsfeste Ernährungssysteme“ und überreichten ihn an Oberbürgermeister Dr. Spies und Landrat Jens Womelsdorf.

Der Aktionsplan zeigt an Beispielen aus ganz Europa, wie krisenfeste Lebensmittelversorgung regional, ganzheitlich und nachhaltig gestaltet werden kann.
„Die Wut der Landwirt:innen in den letzten Wochen zeigt, dass es ein mutiges Umdenken in unserem Ernährungssystem braucht. Landwirt:innen, die oft unter ihren Produktionskosten ihre Produkte verkaufen müssen, die keinen Inflationsausgleich erhalten und die mit einer überbordenden Bürokratie konfrontiert sind, sind zurecht verärgert“, so Oliver Diehl, Geschäftsführer der AbL Hessen.
„Der Aktionsplan liefert viele konkrete Ansätze, die Antworten auf diese aktuellen Fragen enthalten. Er nimmt aber auch die Klimakrise und die damit verbundenen sozialen Herausforderungen ernst“, so Diehl weiter. Anhand von sechs Zielen wie u.a. Re-Lokalisierung & Diversifizierung, Zusammenarbeit für lokale Wertschöpfung, die Gestaltung von nachhaltigen Lebensmittelmärkten und dem Zugang zu Land und Gemeingütern zeigt er konkrete Lösungsansätze und bereits existierende Bespiele auf.

Erarbeitet wurde der Aktionsplan von über 100 Teilnehmenden aus 17 Ländern, die ihr Fachwissen aus allen Bereichen des Ernährungssystems im Rahmen des Kongresses „Unsere Ernährung in die Hand nehmen! Gemeinsam resiliente Ernährungssysteme gestalten“ im November im TTZ einbrachten.

Der Aktionsplan soll Menschen aus Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung als Inspiration dienen und Mut zum Handeln machen. Am LebensMittelPunkt Wehrda, einem Projekt des Ernährungsrats Marburg und Umgebung, an dem der Aktionsplan vorgestellt wurde, wird deutlich, wie beherztes Handeln aussehen kann. Die Bedeutung von Regionalität und Nachhaltigkeit, aber auch von Ernährungsbildung und sozialem Miteinander zeigt sich ganz praktisch, wenn es um das wohnortnahe Bestellen eines Saisonbeetes oder das Einkochen von Aufstrichen aus klimaschonenden und bodenverbessernden sowie gesunden Hülsenfrüchten geht.

Am Treffpunkt selbst entsteht gerade ein Abholort für Erzeugnisse von Kleinbäuer:innen und handwerklichen Lebensmittelerzeuger:innen aus nächster Nähe. Solche Zentren für Bildung, regionale nachhaltige Lebensmittelversorgung und Gemeinschaftsaktivitäten empfiehlt der Aktionsplan für jeden Stadtteil – und nicht nur in Marburg.

Aber auch hier zeigen sich die Hürden für lokale Projekte der Ernährungswende aufgrund bestehender EU- und Bundesgesetze: „Die Vorgaben für landwirtschaftliche Flächen machen es für Nachbarschaftsprojekte wie unserem nicht immer leicht. Zum Beispiel ist das Aufstellen eines Gewächshauses, das wir für die breite Versorgung mit frischem, wohnortnahem Gemüse brauchen, hier nicht ohne weiteres möglich.” sagt Melissa Roth, Acker-Koordinatorin vom LebensMittelPunkt Wehrda.

„Im Nahrungsmittelbereich hängt alles mit allem zusammen: Landwirtschaft und Ernährung können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Und hier braucht es Ideen und konkrete Politik: Dafür müssen alle zusammenarbeiten: Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft – von Marburg bis zur EU“ fasst Ann-Marie Weber vom kollektiv von MORGEN die Komplexität von Ernährungssystemen zusammen.

„Zu vielen der Zielsetzungen leisten wir als Kreisverwaltung bereits zahlreiche Beiträge. Dementsprechend gern haben wir auch den Kongress im vergangenen Jahr unterstützt. Nun werden wir auf Grundlage des Aktionsplans schauen, inwieweit wir hierzu weitere Möglichkeiten im Rahmen unserer Kompetenzen finden“

Jens Womelsdorf

Landrat Landkreis Marburg-Biedenkopf

„Der Marburger Aktionsplan ist eine wegweisende Initiative für nachhaltige Ernährungssysteme in Europa. Er betont die Bedeutung des Engagements aller Beteiligten für einen Wandel hin zu regionalen, ganzheitlichen und nachhaltigen Ansätzen, die auf Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch und Umwelt ausgerichtet sind. Der Aktionsplan ist eine Einladung zum Handeln und zur gemeinsamen Gestaltung resilienter Ernährungssysteme vor Ort. Ich freue mich sehr, dass wir für dieses Projekt Gastgeberstadt sein durften“

Dr. Thomas Spies

Oberbürgermeister Marburg

Dass ein Wandel notwendig ist, hat auch die Bundesregierung erkannt. Sie hat eine Ernährungsstrategie mit ähnlicher Stoßrichtung herausgegeben. Und heute wird der Abschlussbericht des Bürgerrats Ernährung im Wandel an den Bundestag übergeben. Dass der Wandel aber auf vielfältige Weise bereits stattfindet – und zwar durch lokale und regionale Kooperationen zwischen Bäuer:innen, Verarbeiter:innen, Handel, Konsument:innen, Politik und Verwaltung – das zeigt der Marburger Aktionsplan. „Der übrigens nicht nur für Marburg gilt,“ wie Ann-Marie Weber ergänzt, „sondern dazu aufruft, sich inspirieren zu lassen, die Ideen an den eigenen Kontext vor Ort anzupassen, Kooperationspartner:innen zu suchen und in die Umsetzung zu gehen.“

 Der Aktionsplan kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.arc2020.eu/wp-content/uploads/2024/02/Marburger-Aktionsplan_final.pdf

Hintergrund

Der Aktionsplan ist entstanden im Rahmen des Projekts „Rural Europe Takes Action – Germany“, des Marburger kollektiv von MORGEN e.V., der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Hessen e.V. und Agricultural and Rural Convention (ARC2020) aus Frankreich, einem Förderprojekt der Robert-Bosch-Stiftung. Wichtige Kooperationspartner in Marburg sind unter anderen der Ernährungsrat Marburg und Umgebung (EMU), der Träger des Lebensmittelpunkts in Wehrda ist, das Forschungsprojekt LOGRegio der Uni Fulda sowie CIM Hub Marburg.

Der Kongress „Unsere Ernährung in die Hand nehmen! Gemeinsam resiliente Ernährungssysteme gestalten.“ fand vom 6.-8. November 2023 in Marburg im TTZ statt und versammelte über 100 Teilnehmende aus 17 Ländern und unterschiedlichen Bereichen des Ernährungssystems.

Thematische Schwerpunkte sind der Auf- und Ausbau lokaler Wertschöpfungsketten, die Verpflegung in Gemeinschaftsküchen (wie Schulküchen, und Kantinen sowie Individualgastronomie) sowie der Ernährungsbildung.

 

Nähere Informationen erhaltet ihr über: team@kollektiv-von-morgen.de